Reisender, kommst du nach Oldenburg, so beachte drei Dinge: Führe allzeit und verschwenderisch das Wort „Moin!“ im Munde. In Oldenburg hat man nämlich Zeit und grüßt sich. Schalte also zweitens einen Gang herunter. Das wird schon bei der Anfahrt gelingen, denn „Ollnburch“ wirst du nur einmal täglich im ICE, wahrscheinlicher also im IC oder in einer RE erreichen. Drittens: Steige sodann aufs Rad um, Oldenburg ist eine Fahrradregion. Du bist angekommen.
Gemach geht’s auch bei den leiblichen Genüssen zu, nahrhaft und deftig. Grünkohl mit Pinkel, Speck und Kassler sind angesagt. Gleich am Bahnhof im Jugendstil-Restaurant „Klinkerburg“, wo ich mich für die Kürbiskernsuppe entscheide, ließe er sich probieren. Pinkel heißt die Wurst, die aus Zwiebeln, Hafergrütze und frischem Speck hergestellt wird, weil sie früher in die Pinkeldärme gefüllt worden war. Pinkel ist das Nieder- oder Plattdeutsche Wort für Mastdarm. Stadtführerin Maike Vormelker meint: „Der Pinkel ist der Mastdarm vom Rind, doch heutzutage isst man mehr Fleischpinkel. Auf jeden Fall aber muss auf dem Grünkohl eine Fettschicht sein, sonst schmeckt er nicht.“ Sie koche ihren Kohl drei Stunden lang, echt slow. Doch das Oldenburger Nationalgericht isst sich nicht einfach so. Vorher wird auf einsamen Landstraßen gemeinsam geboßelt (eine Art Kugelweitrollen und -werfen) oder von Frauen im feuchten Nebel Besenweitwurf geübt. So holt man sich den nötigen Appetit auf dem langen Marsch/der Radtour zum Gasthof, auch Kohlfahrt genannt. Geselligkeit in der Gruppe heißt dabei die Devise. Zum Kohl gibt’s dann einen kalten Oldenburger Weizenkorn, klar und nordisch, und ein herbes Pils. Im Anschluss wird oftmals Rote Grütze mit Sahne serviert. Wer mehr darüber wissen will: In der virtuellen Grünkohl-Akademie wird das Thema mit Humor doch tiefschürfend behandelt. Dort kann sogar das Grünkohldiplom erlangt werden.